Geschrieben von maximilian am 27. April 2020
Allgemein
Im Zuge der Corona-Krise kommt es zu vielseitigen Eingriffen in das öffentliche Leben und in den Alltag aller Menschen. Die Virusinfektion Covid-19 fordert die gesamte Gesellschaft. Kurzarbeit, Ladenschließungen, Kündigungen, Geldnot und viele weitere Schlagworte geistern derzeit durch die Medien und sind in aller Munde. Aber auch Wörter wie Solidarität, Ideenreichtum, Digitalisierung und Chance werden oft verwendet. Dazu passt die aktuell viel zitierte Aussage des Schweizer Schriftstellers Max Frisch:
„Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
Was die Entwicklungen für eine Zeit nach Corona in Hinblick auf die Wissenschaft und die Lehre an der Hochschule ergeben könnten, versuchen die Lehrenden der HSN in einer Gastbeitragsserie zu beantworten. Den Anfang macht Frau Prof. Dr. Borbe, mit Betrachtungen zu der Zukunft der Lehre und Sozialem.
Wie wird Corona unsere Welt verändern?
Im Angesicht der Corona-Krise zeigen sich viele Menschen äußerst kreativ und sehr solidarisch. Homeoffice funktioniert. Digitalisierung zeigt in Zeiten von Corona, was in ihr steckt. Gleichzeitig erleben wir mehr oder weniger hautnah die Grenzen der Globalisierung, müssen empfindliche Rückschläge konstatieren. Wir üben, Rücksicht auf Risikogruppen zu nehmen und alternative Kontaktmöglichkeiten auszuloten. Das Gesundheitssystem wird künftig stärker Pandemien in den Blick nehmen müssen und es muss von gesellschaftlich-politischer Seite geklärt werden, welche Formen der Daseinsvor- und fürsorge für solche Krisenzeiten erforderlich sind. Es wird nicht das letzte Virus bleiben, mit dem sich die Menschheit auseinandersetzen muss.
Welche Chancen ergeben sich durch Corona bzw. welche Defizite werden gerade in ihrem Fachgebiet aufgezeigt.
Wenn der Alltag fehlt, die Schule ausfällt und es in der Familie Konflikte gibt, sind Sozialarbeitende noch mehr gefordert als sonst, häufig ohne angemessenen Schutz. Die Ämter sind geschlossen, freie und private Träger arbeiten im Feld. Schulunterricht muss in der Kinder- und Jugendhilfe begleitet werden. Alte, kranke und sterbende Menschen können nicht adäquat begleitet und versorgt werden. Gleichzeitig sehen wir, dass auf unterschiedliche Art und Weise Initiativen entstehen, wie z.B.:
Allen Gesundheits-, Sozial-, Ordnungs-, Versorgungs- und Freiwilligendiensten und der Forschung ist für das unermüdliche Engagement in der Gesellschaft herzlichst zu danken.
Dabei wäre natürlich auch interessant wie die aktuelle Situation die Lehre verändern wird – ist dies der Startschuss für eine Umstrukturierung der Lehre?
Die Digitalisierung wird gerade turbobeschleunigt. So wie der Turbolader dem Motor zu höherer Beschleunigung verhilft, führt das Corona-Virus in der digitalen Lehre gerade zu einer phänomenalen Beschleunigung. Digitale Lehre wird in diesem Sommersemester auf vielfältigste Weise umgesetzt: Online mithilfe des Live-Streamings, in e-learning-Formaten, aufgezeichneten Lehrveranstaltungen zum zeitversetzten Studieren etc.
An welchen Stellen ist dies auch nach der Corona-Krise nützlich?
Digitalisierung wird auch nach der Corona-Krise noch sehr nützlich sein, weil z.B. Berufstätige flexibler Akademisierungsmöglichkeiten wahrnehmen können, lange Wegstrecken reduziert werden können und die ökologische Bilanz entsprechend angepasst werden kann. Bildungschancen können durch Digitalisierung verbessert werden. Formate aber wie z.B. der „Flipped Classroom“ – der „umgekehrte Unterricht“, bei dem die Studierenden sich selbst den Unterrichtsstoff beibringen, um ihn in Präsenzphasen anzuwenden, benötigen einen größeren zeitlichen Vorlauf, weil sie gut geplant und präzise entwickelt werden müssen. Dazu fehlt in diesen Wochen die Zeit. Bislang waren es meist einzelne Personen, die mit digitalen Formen des Lehrens und Lernens experimentiert haben. Hochschulweite Strategien dazu gab es in der Vergangenheit eher selten. Dies wird sich hoffentlich ändern.
Welche Nachteile ergeben sich wiederum daraus?
Die direkte Begegnung mit den Studierenden fehlt weitgehend und der sich daraus ergebende Dialog. Menschen handeln weniger miteinander aus, müssen hinnehmen, das Beste aus der Situation machen. Gleichzeitig ist es hochanstrengend, alle Lehrveranstaltungen eines Semesters in online-Formaten anzubieten. Da es nur einen kleinen zeitlichen Vorlauf gab, fehlte die Zeit zu einer optimalen Planung. Das muss jetzt pragmatisch kompensiert werden.