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Regenbogenfahne

Geschrieben von Tina am 26. Mai 2020

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Regenbogenfahne

An der HSN weht zurzeit eine Flagge in den Farben des Regenbogens. Warum? Die Regenbogenfahne steht für Vielfalt und Lebensfreude. Sie wurde bereits 1969 bei der Beerdigung von Judy Garland getragen, die damals mit ihrem Lied „Over the Rainbow“ viele bezauberte. Ihre sechs Farben symbolisieren das Leben (rot), die Gesundheit (orange), die Sonne (gelb), die Natur (grün), die Kunst (blau) und den Geist (violett). Sie zu hissen ist aber nicht nur ein Akt der Lebensfreude, sondern auch ein Zeichen der Solidarität mit Minderheiten, insbesondere mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen Menschen und „queers“, die nicht ins heteronormative Weltbild passen.

Die Angst vorm Anderssein hat ihren Ursprung in der bereits von Karl V. geschaffenen Constitutio Criminalis Carolina, die „widernatürliche Unzucht“ mit der Todesstrafe ahndete und erst von den Preußen in eine Gefängnisstrafe abgemildert wurde. Während der Nazizeit wurde jedoch der § 175 verschärft und tausende von mit dem rosa Winkel markierten und stigmatisierten Häftlingen kamen in den Konzentrationslagern um. Erst 2017 wurden Schwule und Lesben in Deutschland rehabilitiert und rechtlich den anderen Opfern der Terrorjustiz im Nationalsozialismus gleichgestellt. In vielen Ländern werden Menschen mit anderer sexueller Orientierung noch immer verfolgt. So listet die internationale Interessensvertretung für homosexuelle Menschen ILGA fast siebzig Länder auf, in denen Homosexualität streng bestraft wird. In 13 Ländern wird dafür sogar die Todesstrafe verhängt. In Uganda, wo Zeitungen öffentlich dazu aufgerufen haben, LGTBQ-Menschen aufzuhängen, soll nach Auskunft von Amnesty International die Todesstrafe nun wieder eingeführt werden. Auch in Europa sind wir keineswegs frei von Homophobie. In Polen haben sich 80 Gemeinden zu „LGTB-freien Zonen“ erklärt, unterstützt von der rechtsnationalen Regierung in Warschau. Inzwischen verurteilte das Europäische Parlament diese Aktion der Ausgrenzung und Stigmatisierung. Dennoch halten Kirche und Staat dagegen und nutzen sogar die aktuelle CORONA-Pandemie, um die Diskriminierung von LGTBQ-Menschen weiter zu verschärfen. Und die ganz besonders Frommen kämpfen, wie schon während der AIDS-Krise, an vorderster Front gegen Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung. So sind für den katholischen Geistlichen Leonard Wilcynski „Homosexuelle, abtreibende Frauen, uneheliche Paare, die in Sünde leben“ schuld an der Pandemie. Für den orthodoxen Rabbiner Meir Mazuz sind die Schuldigen homosexuelle und queere Menschen, die auf den CSD-Paraden frech für ihre Rechte eintreten. Der sunnitische Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die den Großteil der Moschee-Gemeinden in Deutschland kontrolliert, macht Homosexuelle für die Pandemie verantwortlich und bekommt dafür Rückendeckung des Präsidenten Erdoğan und der ihm nahestehenden Medien. Und der evangelikale Pastor Ralph Drollinger, der den amerikanischen Präsidenten wöchentlich zur Gebetsstunde trifft, sieht in der CORONA-Pandemie eine göttliche Prüfung, ausgelöst wahlweise durch Umweltaktivisten, Homosexuelle oder Demokraten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich bislang nur zwei Regierungschefs für die Verbrechen an sexuellen Minderheiten in ihren Ländern entschuldigt haben: der kanadische Premier Justin Trudeau und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Große Teile unserer Gesellschaft sind offenbar noch nicht bereit für Toleranz und Diversität, von den Stammtischen bis in die höchsten Kreise. Und immer noch werden in Deutschland LGTBQ-Menschen stigmatisiert, diskriminiert und ausgegrenzt. Wagt ein junger Mensch sein Coming-Out, läuft er Gefahr, in seinem sozialen Umfeld geächtet und sogar von seinen eigenen Eltern verstoßen zu werden – gewiss auch einer der Gründe für die dreifache Selbstmordrate bei homosexuellen Jugendlichen. Die Regenbogenfahne weht daher aus gutem Grund über dem Campus der Hochschule Nordhausen: Hier ist ein Ort, der sich selbstbewusst zu Vielfalt, Toleranz, Solidarität und Lebensfreude bekennt – und alle Welt soll es sehen.

(Text: Prof. Dr.-Ing. Dieter D. Genske / Foto: Tina Bergknapp)

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